Am 18. Februar konstituierte sich der neugewählte Rat der Religionen. Als neue Vertreterin für den Buddhismus gehört dem Rat auch die Erzieherin Myriam Abdel-Rahman Sherif an. Wir haben aus diesem Anlass mit ihr gesprochen.
Frau Abdel-Rahman Sherif, als neues Gesicht im Rat der Religionen, können Sie uns etwas über sich erzählen?
Mein Name ist Myriam Abdel-Rahman Sherif. Ich leite seit 2006 als 1.Vorsitzende ehrenamtlich das Tibet-Zentrum Hannover und leite als Erzieherin auch die Lotus-Kinderkrippe. Die Lotus Kinderkrippe habe ich 2012 gegründet. Vorher habe ich viele Jahre als Kinderkrankenschwester und später als Erzieherin in der MHH gearbeitet.
Was bedeutet Buddhismus für Sie?
Buddhismus bedeutet vor allem: Ich kann eigenverantwortlich an mir arbeiten und ich habe Vertrauen, dass ich mithilfe der von Buddha gelehrten Methoden meine negativen, leidbringenden Geisteszustände beseitigen kann und so zu einer Person werde, die auch anderen in der besten Weise eine Stütze sein kann. Die Texte sprühen vor Humor und Freundlichkeit, denn die besondere Qualität des Buddhadharma liegt darin, dass diese Lehren ausschließlich aus Mitgefühl und zur Hilfe für die Wesen abgefasst wurden. Man findet immer etwas was weiterhilft. Buddhismus ist ein Weg, der den Geist mit einer Haltung der Weite, des Mitgefühls und spürbarer Sinnhaftigkeit erfüllt. Durch das persönliche Beispiel meiner Lehrer und eigenes Nachdenken wird mir die zeitlose Relevanz und Tiefe der Aussagen des Buddha für mein Leben sehr bewusst. Ich empfinde das als großen Reichtum; die Lehren sind wie ein Universal-Werkzeugkasten, die alltäglichen Schwierigkeiten des Daseins in den Griff zu bekommen und fortschreitend auch alle tiefen Fragen der Transzendenz zu durchdringen.
Warum haben Sie Ihren Weg gerade im Buddhismus gefunden?
Ich habe durch fortgeschrittene Lehrer einen Eindruck von der Wirksamkeit der buddhistischen Lehre erhalten. Sie haben mich inspiriert. Ihre Art hat mich überzeugt. Sie ermutigen mich, selbst zu lernen, zu praktizieren, an mir zu arbeiten und systematisch geduldig weiterzugehen. Besonders während meiner Tätigkeit als Kinderkrankenschwester auf der Kinderkrebs-Station hat mir der Buddhismus sehr geholfen.
Was bedeutet interreligiöser Dialog für Sie?
Interreligiöser Dialog ist für mich ein bereichernder Austausch. Oft werden ganz ähnliche, verbindende Inhalte sehr unterschiedlich ausgedrückt, meinen aber teilweise ähnliche Grunderfahrungen. Die Menschen haben ähnliche Fragen, ähnliche Bedürfnisse und die Religionen haben Methoden und Inhalte bewahrt, die sich über lange Zeit gebildet und bewährt haben. Deshalb verdienen sie Respekt. Selbst wenn große, scheinbar unüberbrückbare Unterschiede in bestimmten Ansichten bestehen, hilft die Kenntnis der Viefalt, Verständnis für anderes Denken und echte Toleranz zu entwickeln.
Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit dem interreligiösen Dialog gemacht?
Als ich vor 12 Jahren das Tibet-Zentrum gegründet habe, war mir vom Anfang an wichtig mich im Interreligiösen Dialog zu engagieren. Das konnte ich jetzt schon über viele Jahre machen und besonders die Zusammenarbeit mit dem Haus der Religionen macht mir große Freude. Ich habe das Gefühl, dass ich selber den größten Nutzen von meinem interreligiösem Engagement habe. Ob es sich um meine Teilnahme an der Religramme-Ausstellung, dem Interreligiösem Frauenprojekt, Diskussionsrunden, Veranstaltungen mit Schulen oder anderen interreligiösen Veranstaltungen handelte, immer waren sie für mich bereichernd.
Was braucht es, damit interreligiöser Dialog gelingt?
Freundlichkeit, Humor, Wertschätzung und Geduld sind für mich wichtig. Vom buddhistischen Gesichtspunkt aus gesehen ist eine breite Auswahl an Weltreligionen notwendig, um den verschiedenen Veranlagungen unterschiedlicher Menschen gerecht zu werden. In der Tiefe des Herzens sehnen sich alle Menschen danach, glücklich zu sein. Ich denke, dass alle Religionen auf diese Sehnsucht der Menschen eine Antwort haben. Die Religionen sollten allerdings nicht vermischt werden. Es ist mir wichtig, dass im Interreligiösen Dialog die Verschiedenheit der Wege respektiert wird. Noch wichtiger ist mir allerdings, das Hervorheben der verbindenden Inhalte und Werte der Religionen. Seine Heiligkeit der Dalai Lama sagt: „ Das Herz aller Religionen ist eins!“. Sie sind allesamt eine Schatzkammer gesammelter Erfahrungen ihrer Mitglieder. Dieses Bewusstsein allein erweckt Respekt auch vor den Unterschieden in den Anschauungen. Zusammenfassend glaube ich daran, dass die gemeinsamen Werte der Religionen Vertrauen verdienen, weil diese Traditionen im Kern der Lehre ihrer Gründer hilfreich sind. Solange die Religionen die Grundwerte und Gesetze des Landes respektieren, kann man sich sehr gut an der Multikulturalität und Pluralität der spirituellen Wege erfreuen.
Was möchten Sie im Rat der Religionen erreichen?
Da alle Religionen sich für das Wohl des Einzelnen und der Gesellschaft einsetzen, möchte ich darauf hinarbeiten, dass das friedliche und harmonische Miteinander des Rates der Religionen als Vorbild dient für ein positives Miteinander der Menschen in einer multikulturellen Gesellschaft. In der Zusammenarbeit aller Religionen liegt die große Chance, zu mehr Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit, Ökologie und Liebe in der Welt beizutragen. Nur das Gespräch und der Dialog zwischen den Religionen kann dazu führen, dass die Religionen zum Segen für die Welt werden.
Das Interview führte Karthiga Manivannan
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